Die ausgebombte Stadt Köln
STRABAG

Bei Kriegsende liegen auch die Geschäfte der STRABAG in Trümmern. Straßen werden kaum gebaut, zudem sind sämtliche Baumaschinen verloren, die im Krieg außerhalb Deutschlands oder in der jetzigen sowjetischen Besatzungszone im Einsatz waren. Unterstützt von den beiden Großaktionären Friedrich Carl von Oppenheim und Wilhelm Werhahn – sie besitzen jeweils 33 Prozent der STRABAG-Anteile – macht sich der einzig verbliebene Vorstand Josef Oberbach daran, das Unternehmen wieder aufzubauen. Er trifft bereits im Sommer 1945 eine Entscheidung, die bis heute nachwirkt:
Die STRABAG legt ihren Verwaltungssitz von Berlin zurück nach Köln, wo sie im Stadtteil Deutz in der Siegburger Straße 120 ein Grundstück erwirbt. Darauf richtet Oberbach einen Bauhof ein, die Hauptverwaltung findet in einer großen Baracke auf einem gemieteten Nachbargrundstück ihr bescheidenes Domizil. Es wird 1948 von einem auf dem Bauhofgelände erstellten Verwaltungsgebäude abgelöst.

Hauptverwaltung Köln Siegburger Straße

ZÜBLIN

Die STRABAG siedelt sich 1945 in der Siegburger Straße in Köln-Deutz an – und bleibt dem Standort bis heute treu.

Mangels Straßenbauaufträgen schlägt Oberbach dem Aufsichtsrat schon 1945 in einem Strategiepapier vor, „in Arbeiten für die Reichsbahn einzudringen, […] Räumungsarbeiten bei den Städten zu übernehmen, […] das Baustoff-Lieferungsgeschäft zu intensivieren“ und „in den Hochbau einzudringen.“ Alles Vorschläge, die sich in der Folgezeit mehr schlecht als recht in die Tat umsetzen lassen.

Nicht zuletzt deshalb gibt es 1949, kurz nach der Wiederzulassung zur Börse, zwei wichtige Änderungen: Das Unternehmen verlegt auch den handelsrechtlichen Sitz von Niederlahnstein nach Köln. Und es firmiert nun als „Strabag Bau-AG“, um über den Straßenbau hinaus besser an Aufträge im Hoch-, Brücken-, Tief- und Ingenieurbau zu kommen. Dessen ungeachtet verläuft der Einstieg in den Hochbau zunächst schleppend.

Vom Straßenbauspezialisten zum Allrounder

Mehr Erfolg hat man in anderen Bereichen. So errichtet die Strabag Bau-AG zwischen 1950 und 1965 13 Dämme und 11 Speicherbecken, teils auch im Ausland. Mit patentierten, innovativen bituminösen Dichtungen etabliert sie sich als führendes Unternehmen in dieser Sparte. Pionierarbeit leistet die Strabag Bau-AG auch im Wasserbau: 1957 kommen beim Bau einer Ölumschlagsanlage in Wilhelmshaven erstmals maßgeblich selbst entwickelte Hubinseln zum Einsatz, höhenverstellbare wasserdichte Arbeitsgerüste, die dank einer raffinierten Mechanik fest und lotrecht auf dem Meeresboden verankert werden können. Auch beim Bau der Fehmarnsundbrücke (Vogelfluglinie) werden Hubinseln verwendet. Sie verhelfen dem Unternehmen zum Durchbruch im Wasser- und Ingenieurbau, ab 1958 mit der Hubinsel GmbH, einem Gemeinschaftsunternehmen mit der Philipp Holzmann AG und einer amerikanischen Baufirma. Ab den 1960er-Jahren erhält die Hubinsel GmbH zahlreiche Aufträge beim Bau von Bohrinseln in der Nordsee.

Ölumschlagsanlage Wilhelmshaven, erster Einsatz der Hubinsel

STRABAG

Mit den innovativen Hubinseln, hier beim Bau des Ölterminals in Wilhelmshaven 1957, erschließt sich die STRABAG ein lukratives Geschäftsfeld.

Auch im Brückenbau fasst die Strabag Bau-AG mit Innovationen Fuß. Als erstes Unternehmen überhaupt setzt sie 1959 bis 1961 beim Bau der 510 Meter langen Kettinger Brücke bei Koblenz die selbst entwickelte „Vorbaurüstung System Strabag Bau-AG mit feldweisem Vorbau“ ein. Eine bahnbrechende Neuheit nach dem „Rechenschieberprinzip“, die wesentlich zum raschen Erfolg des neuen Geschäftsbereiches Brückenbau beiträgt. Außerdem erhält die Strabag Bau-AG in ihrem traditionellen Tätigkeitsgebiet substanzielle Aufträge beim Ausbau der Flughäfen in München, Hamburg, Frankfurt, Hannover und Berlin-Tempelhof. Neben Zufahrtsstraßen und Startbahnen errichtet sie teilweise auch Flughafengebäude.

Erstmaliger Einsatz der von der Strabag entwickelten Vorbaurüstung bei der Brücke am Kettinger Hang

STRABAG

Der von der STRABAG entwickelte feldweise Vorschub der Vorbaurüstung wird erstmals bei der Kettinger Brücke angewandt.

Einstieg in große Hochbauprojekte

In großem Stil im Hochbau tätig wird die Strabag Bau-AG allerdings erst ab Anfang der 1960er-Jahre beim Neu- und Ausbau zahlreicher Universitäten. Den Startschuss bildet die unter Federführung der Strabag Bau-AG zwischen 1964 und 1974 für mehr als zwei Milliarden D-Mark errichtete Ruhr-Universität in Bochum. Weitere Universitätsbauten folgen in den 1970er-Jahren, das Unternehmen etabliert sich als Spezialist für komplexe Hochbauprojekte.

STRABAG

Auf der „grünen Wiese“ entsteht unter Federführung der STRABAG ab 1964 die Ruhruniversität Bochum für 15.000 Studenten.

Die Diversifizierung wird 1964 mit Übernahme eines Aktienpakets der „AHI-Bau Allgemeine Hoch- und Ingenieurbau-Aktiengesellschaft“ weiter vorangetrieben, wenngleich die Investition kaufmännisch betrachtet in der Folgezeit noch einige Probleme nach sich zieht. Zudem gründet die Strabag BauAG 1965 als Tochterunternehmen die „SF-BAU Gesellschaft für schlüsselfertiges Bauen mbH“. Dass eine andere im gleichen Jahr gegründete Tochtergesellschaft viel später noch eine gewisse Bedeutung erlangen würde, kann noch niemand ahnen: die STRABAG Bau-Gesellschaft m.b.H. & Co. KG im österreichischen Linz an der Donau.

Ab 1955 entwickelt sich die STRABAG Bau-AG zum breit aufgestellten Baukonzern mit einer Vielzahl neuer Geschäftsfelder (Schwarzwaldhochstraße, Autobahn A7 in Hessen, Siegtalbrücke bei Eiserfeld, Genkel-Talsperre im Naturpark Bergisches Land)

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STRABAG

Schwarzwaldhochstraße
Schwarzwaldhochstraße
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STRABAG

Siegtalbrücke bei Eiserfeld
Siegtalbrücke bei Eiserfeld
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STRABAG

Gußasphalteinbau auf der BAB bei Niederjossa
Gußasphalteinbau auf der BAB bei Niederjossa
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STRABAG

Genkel-Talsperre, Asphaltbeton-Außendichtung
Genkel-Talsperre, Asphaltbeton-Außendichtung

Die Absicht des Vorstandes, in Zukunft langsam auch Arbeiten aus dem Gebiet des Hochbaus zu übernehmen, wurde eingehend diskutiert.

Protokoll der STRABAG-Aufsichtsratssichtung vom 15. Juli 1949