Die Rationalisierung des Brückenbaus

11. Mai 1960

An der Verbreitung neuer, effektiverer Methoden im Brückenbau ist ZÜBLIN maßgeblich beteiligt. In den 1960er-Jahren kommen erstmals Freivorschubverfahren, Taktschiebeverfahren, Vorschubverfahren mit freitragender Vorbaurüstung und Fertigteile zum Einsatz.

Brücke über den Rio Caroni in Venezuela, Bauphasen

Nach einem unter anderem von Spannbetonpionier Fritz Leonhardt entwickelten Freivorschubverfahren baut ZÜBLIN 1962 in Venezuela damit weltweit die erste Brücke, die 500 Meter lange Caroni-Brücke. Der ganze Überbau wird dabei am Ufer in Fertigteilen hergestellt, dann zusammengespannt und anschließend als Ganzes auf die Brückenpfeiler geschoben. Eine Pionierleistung, die weltweit Anerkennung findet und aus der sich das Taktschiebeverfahren entwickelt, bei dem die zusammenhängende Brücke abschnittsweise an einem der Widerlager hergestellt und anschließend zusammen mit dem bereits gefertigten Überbau verschoben wird.

Brücke über den Rio Caroni in Venezuela 1962 – 1964 Vorschub des Überbaus

Der Bau der Caroni-Brücke ist nicht nur ein konstruktives, sondern auch ein betriebswirtschaftliches Wagnis.

Mit dem neuen Verfahren der Vorschubrüstung leistet ZÜBLIN 1963 beim Bau der Mainbrücke bei Hochheim ebenfalls Pionierarbeit. Eine freitragende Vorbaurüstung geht der Brücke als Schalungsträger voraus, nach dem Aushärten des Betons wird die Schalung abgesenkt und für den nächsten Abschnitt verschoben. Mit einer Vorschubrüstung baut ZÜBLIN zwischen 1966 und 1969 auch in Ägypten zwei große Brücken über den Nil, die Tamalai- und die Edfu-Brücke. Zwei Pfeiler in Edfu werden am Vorabend des Richtfestes bei einem israelischen Sprengstoffanschlag zwar beschädigt, die Brücke als Ganzes hält aber stand: ein unerwünschter, aber guter Beweis für die Solidität der ZÜBLIN-Konstruktion.

Brücke über den Nil bei Edfu in Ägypten, Vorbaurüstung, Buch 100 Jahre, S. 143

Während des Baus der Nilbrücke bei Edfu gibt es eine „explosive Überraschung“, der das Bauwerk aber standhält.

Neu sind auch Brücken aus Fertigteilen, die sich bei beengten Platzverhältnissen oder zum Überbrücken von viel genutzter Infrastruktur anbieten. In dieser Bauweise baut ZÜBLIN Brücken unter anderem in Ludwigshafen (1962), im Tiefenbachtal im Hunsrück (1966–1967) oder die Hochstraße Elbmarsch in Hamburg (1970–1974).

Hochstraße Elbmarsch, Hamburg, Bauzustand, Buch 100 Jahre, S. 119

Auch beim Bau von Hochstraßen kommen Brückenbautechniken zum Einsatz wie die Fertigteilbauweise bei der Hochstraße Elbmarsch.

Die Caroni-Brücke ist ein neuartiges und äußerst kühnes Brückenbauwerk.

Ludwig Lenz
langjähriger Vorstandsvorsitzender von ZÜBLIN

Talbrücke Rottweil-Neckarburg 1975 – 1977

Optische Ähnlichkeit – völlig andere Bauweise: Die 1975–1977 nach dem Freivorbau der Bögen im Taktschiebeverfahren erbaute Talbrücke Rottweil-Neckarbuch weist eine faszinierende Ähnlichkeit mit dem von ZÜBLIN bereits 1912 erstellten Langwieser Viadukt auf.